Schießstandweg

Wer hätte geglaubt, dass die Bewohner der Dornier-Siedlung eigentlich gar keine Kreuzegger sind? Die Plannummern dieses Ortsteils beginnen mit 1390 und enden mit 1889 und da gehören die Siedler mit ihren 3000er Nummern nicht dazu. Nach den Flurnummern sind sie im Grunde genommen Meilinger – und der Schießstandweg, der beide Orte verbindet, ist in seiner ganzen Länge eine Straße von Meilingen. Früher war das ein holperiger Feldweg, auf dem man die Äcker und Wiesen in der Schwande erreichen konnten.

 

Deshalb hieß er auch immer Schwandenweg und so nannte man ihn auch noch, als 1913 die „Kgl. Priv. Feuerschützengesellschaft Pfronten“ neben ihm ihr neues Schützenheim errichtete. Der Platz war gut gewählt. Im Hang zur Herze hinauf hatte abfließendes Gletscherwasser ein kleines Tal herausgehobelt und hier konnten die Schützen im Freien schießen, ohne dass ein verirrtes Projektil jemand gefährdete. Zuvor aber mussten sie an einem sehr abgelegenen Standort üben. Das Eröffnungsschießen des 1898 gegründeten Pfrontener Feuerschützenvereins fand in einem Schießstand bei der Fallmühle im Achtal statt. Dort störte man niemand. Der damalige Fallmüller hatte sogar den Platz zur Verfügung gestellt und fast die ganzen Baukosten übernommen. Das war sicher nicht ganz uneigennützig, denn der Wirt im Fall erhoffte dadurch eine Belebung seines Gasthofes.



Schützen aber gab es in Pfronten schon viel, viel länger! Blättern wir mal in der Chronik zu ihrem 100-jährigen Bestehen. Da erfahren wir, dass sie ursprünglich eine Art Landwehr mit einer militärischen Funktion waren. Neben dem Heimatschutz wurden die Schützen auch bei polizeilichen Aufgaben eingesetzt, z.B. zum Abschieben der vielen gestrandeten und heimatlosen Menschen, die in den Akten immer unter dem Begriff „Gesindel“ auftauchen. Manchmal kann man die Redewendung hören „Oinr hoat a Kügele nausglau“, hochdeutsch „Einer hat einen Schuss abgegeben“. Aber die Übersetzung ist nicht präzise, denn in diesem Fall wollte der Schütze kein Ziel treffen, sondern er hat nur aus Freude über den Knall geschossen.

Das kam offenbar früher öfters vor, denn ein altes Dokument berichtet, dass die Pfrontener bei Besuchen von Kirchweihfesten und Jahrmärkten in den Nachbarorten durch ihr Schießen das „Gewüldt“ verjagen würden. Die bischöfliche Regierung befahl deshalb den Schützen, „ihre Pürst- oder gezogene Rohr abzueschaffen“. Das aber war den Pfrontenern gar nicht recht und sie legten einen Einspruch ein mit dem Hinweis, dass der Besitz einer Waffe „höchstens von Nöten sei“, denn man
müsse sich gegen vielfältiges herrenloses Gesindel verteidigen.

Bittschrift der Gemeinde Pfronten an den Fürstbischof Johann Christoph von Freyberg (1646–1665), undatiert (Ausschnitt)

 

Transkription:

Wann nun dergleichen schnaltzen und schüeßen von

unß gantz nit beschehen oder gehöhrt worden,

auch kein Mann einige abschaffung der Pürst- oder

gezogenen Rohren bei ünß waiß noch gedenckhen

kan.

Der eigentliche Grund des Verbotes aber war vermutlich eher, dass die Regierung das Wildern einzudämmen und die ehemaligen Aufgaben der Schützen der staatlichen Aufsicht unterzuordnen versuchte.

Neue Aufgaben für die Schützen

So änderte sich auch nach und nach das Selbstverständnis der Pfrontener Schützen. Jetzt legte man immer mehr Wert auf die sportliche Seite und vor allem auch auf Aufgaben der Repräsentation. Als Fürstbischof Joseph im Juni 1741 in Füssen die Huldigung seiner Untertanen entgegennahm, waren die Pfrontener Schützen unter ihrem Hauptmann Sebastian Wohlwind, Bader und „Chirurg“ in Ried, dabei. Sie rückten in der 28-jährigen Regierungszeit des Bischofs auch mehrmals bis nach Hindelang aus, wo sie mit ihrer rot-weiß-grünen Fahne bei Hofjagden die Ehrenwache stellten.

Lage der Schießhütte im Ried, Uraufnahme 1818

Natürlich gab es damals auch schon einen Ort, wo die Schützen ihrem Hobby frönen konnten. Auf dem Uraufnahmeblatt des Jahres 1818 ist die Schießstatt im damals unbebauten Rieder Weidach noch eingezeichnet, also von der Vilsbrücke aufwärts links und rechts der Vilstalstraße. Aber kurz zuvor hatten die Schützen da schon weichen müssen, denn in diesem Jahr wurde die alte Schießstatt mit dem Tanzhaus abgebrochen und die neue Rieder Schule erbaut, heute das Haus des Gastes.

Man muss fast vermuten, dass die Schützen schon damals ins Achtal umziehen mussten, weil gerade um diese Zeit der Nikolaus Reichart, ehemals Wirt im Rössle zu Weißbach, im Fall eine Ölmühle mit einer Wirtschaft plante und auch errichtete.

Neben dem Sport ging es um die Geselligkeit

1913 schließlich konnten – wie erwähnt – die Schützen mit ihrer Schießstätte wieder näher an den Ort heranrücken und ihren Sport pflegen. Wir dürfen aber sicher sein, dass im Schützenheim nicht immer nur konzentriert um jeden Punkt geschossen wurde. Auch die Geselligkeit spielte da eine große Rolle und dabei ging es nicht selten hoch her. Das gäbe eine dicke Chronik, wenn man da alle Begebenheiten aufgeschrieben hätte.

Festhalten wollen wir aber doch, was einmal dem hochverdienten Schützenmeister Ottmar Socher passiert ist. Auf dem Nachhauseweg in der Morgendämmerung bemerkte er nicht mehr ganz nüchtern, dass ihm das Benzin in seinem Feuerzeug ausgegangen war. Nicht dumm, wollte er den feh-lenden Sprit in der (ehemaligen) Tankstelle Lässig wieder nachtanken. Er hat ihn sogar erhalten!

Wünschen wir dem Schützenheim noch viele, viele Jahre des Bestehens! Sonst geht es so wie bei der Badstraße, wo es gar kein Bad mehr gibt!

Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 53, 2009)