Moosmühlweg

Ausschnitt aus der Uraufnahme 1818
Von Autos relativ wenig befahren und deshalb geradezu ideal zum Wandern und Radeln ist der Moosmühlweg, die Verbindungsstraße zwischen Pfronten-Kappel und Pfronten-Rehbichel. Vor 200 Jahren hieß er von Kappel aus gesehen noch „Rehbichler Weg“ und in umgekehrter Richtung „Kappeler Weg“. Von ihm zweigte bei Plannummer 279 ein weiteres Sträßchen ab, das in das Kappeler Wasenmoos führte und deshalb Wasenmoosweg genannt wurde. Auf ihm gelangte man früher zu
einer uralten Mühle, die auf der Plannummer 271 stand und deren Mühlräder nun längst still stehen. Nur noch ein großer Stadel ist von ihr übrig
geblieben.

Liborius Scholz, der Pfrontener Heimatforscher, schreibt, dass diese Mühle 1529 zum ersten Mal erwähnt sei. Leider ist die alte Urkunde nicht mehr auffindbar und so konzentrieren wir uns auf den ersten namentlich bekannten Moosmüller Johann Örth, der im Jahre 1587 genannt wird. Die Schreiber vergangener Zeiten deformierten bisweilen die Familiennamen bis zur Unkenntlichkeit. So hat einer einmal den Namen Samper zu Sandbeer umfunktioniert. Aber zurück zu unserem Johann Örth, den wir mit seinen Nachfahren zur besseren Übersicht in „Erd“ umtaufen wollen. 1602 taucht er zum letzten Mal in der Türkensteuerliste auf und dazu noch der Moosmüller Peter Erd, vermutlich ein Sohn des Johann. 1645 ist dann ein Martin Erd
auf der Moosmühle in Kappel. Er besitzt 29 Metzensaat an Äckern und 12 Tagmahd Wiesen und zählt damit zu den begütertsten Kappelern. Er hat die Wirren des Dreißigjährigen Krieges überlebt und dürfte 1651 gestorben sein. Sein Nachfolger war Michael Erd, nach seinem Besitz ebenfalls ein reicher Mann. Er hatte noch ein Anwesen in Kappel und in beiden Ställen standen drei Pferde, sechs Kühe, zwei „Stierle“ und vier Kälber. So einen großen Tierbestand konnten nur wenige Pfrontener ihr Eigen nennen. Allerdings, so müssen wir aus der Steuerbeschreibung des Jahres 1662 auch vernehmen, sei die Mühle in schlechtem Zustand und auch eine dazugehörige Säge. Auf den Michael Erd folgten dann zwei weitere „Johann Erd“. Der erste hat 1693 eine Regina Eheim geheiratet und starb vor 1724. In diesem Jahr übergibt nämlich seine Frau als Witwe an ihren Sohn, den zweiten Johann Erd. Dabei wurde vereinbart, dass die Mutter selbst kochen dürfe, wenn sie bei einer Krankheit die „rauhe Kost“ nicht ertragen könne, oder aber der Sohn muss ihr etwas Verträgliches reichen. Johann Erd hat nicht nur gesägt und gemahlen, sondern offenbar auch mit Wetzsteinen gehandelt. 1729 hat er dem Bäcker Joseph Lochbihler einen Schleifstein verkauft. Davon wusste Erds Frau Maria Anna Eberle aber nichts und sie nannte Lochbihlers Sohn Franz Anton einen Dieb, als er das Objekt einfach aus der Mühle mitnahm, weil er den Müller anscheinend nicht antraf. Damals waren die Sitten noch anders als heute, man durfte beispielweise einen Kontrahenten ohne große Folgen durchaus so verprügeln, dass dabei Blut floss. Aber ihn einen Lügner oder gar Dieb zu nennen, das ging an die Ehre und da reagierten die Leute ungeheuer empfindlich und rannten sofort zum Richter. Dort klärte sich dann der Irrtum der Müllerin schnell auf. Sie nahm ihr Schmähwort gleich zurück und damit war die Sache auch aus der Welt geschafft.


Johann Erd wurde nicht sehr alt, nach seinem Tod nahm die Witwe noch den Michael Strehle zum Mann. Da ihr Ableben in der Pfrontener Sterbematrikel nicht verzeichnet ist, scheinen die Beiden weggezogen zu sein. Neuer Müller im Kappeler Moos war nun Franz Erd, ein Sohn aus der ersten Ehe. Sein Mühlanwesen wird in der Steuerbeschreibung von 1777 wie folgt beschrieben: hat aigen hauß, hof, garthen und baindt Von 1/8 Tagmadt, sambt Mahl Und pleib Mihlen Eß war auch ein schneid Mihlen dabeÿ so aber aus abgang deß Wassers abgebrochen Worden. Die Mahl Millen hat zwar dreÿ Göng (= Wasserräder), kann aber beÿ trokhen Somers Und Kalten Winters Zeit Kimerlich mit Einem gang mahlen, ist also schlecht zwischen dem Kromen bach und bichelbrunen. Den Franz Erd hat also öfters Wassermangel geplagt als ihm lieb war. Deshalb hat er die alte Säge (= „Schneidmühle“) aufgegeben und auch seine Pleumühle (= Schlagwerk zur Produktion von Leinöl oder zum Trennen des Getreides von den Spelzen) samt den drei Mahlgängen waren oft nur bedingt einsatzbereit. Schuld daran war der Mühlbach, der sein Wasser hauptsächlich aus dem Vogelbach bezieht und von Norden her in einem eingetieften Graben auf das Mühlgrundstück zuläuft. Um die Wassermenge besser nutzen zu können, aber auch zur Lagerung von Baumstämmen war etwas nördlich auf Plannummer 273 ein Schwellbecken im Moos, aus dem bei Bedarf anscheinend etwas mehr Wasser abgeleitet werden konnte. Aber so ganz genau weiß das heute niemand mehr.

Trotz seiner Wasserprobleme ging es dem Franz Erd aber dennoch recht gut. Immer wieder hören wir vom Kauf von gar nicht so billigen Äckern oder Wiesen. Um die Mühle herum hatte aber auch die Gemeinde Kappel noch einen Grundbesitz, den allerdings der Müller schon lange nutzte und den er deshalb als sein Eigentum betrachtete. Als die Kappeler dann begannen, in ihrem Teil Torf zu stechen, sperrte ihnen Franz Erd die Fahrt, so dass sie die Wasen nicht mehr heimbringen konnten. Nach einem Ortstermin wurde dann die leidige Angelegenheit dahin geregelt, dass die Dorfgenossen dem Müller ein Stück von ihrem Boden abtraten und er im Gegenzug ihnen einen sechs Schuh (etwa 1,80 m) breiten Streifen zum Fahren überließ. Franz Erd, der 1816 das Zeitliche segnete, war übrigens auch Kirchenpfleger bei St. Martin in Kappel.

Auf ihn folgten noch zwei weitere Generationen Erd auf der Mühle, zuerst sein Sohn Joseph Anton und dann seine Enkelin Magdalena Erd, die wiederum einen Johann Erd (aus Weißbach) heiratete. Dieses Paar hatte keine Kinder, so dass die Moosmühle an eine Verwandte aus Dorf fiel. Sie hieß ebenfalls Magdalena Erd und ehelichte den Albert Bader aus Hausnummer 359, der alten Pfannen- und Sensenschmiede im Gschön. Mit ihrer Tochter Maria Anna Bader und ihrem Mann Otto Driendl aus der Hinteren Mühle im Gschön (Driendlmühle, ehemalige Hausnummer 358) endet dann die Hausgeschichte der Kappeler Moosmühle. Vermutlich war es die Weiterentwicklung neuer Techniken, die das Arbeiten dort unrentabel machte. Sieben Kinder des Otto Driendl kamen zwar noch hier auf die Welt, das letzte im Jahre 1896. Bald darauf aber dürfte die Moosmühle verlassen und abgebrochen worden sein.

Nun klappert sie nicht mehr, die Mühle am rauschenden Bach, aber wenigstens haben wir noch den Moosmühlweg!

Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 30, 2005)