Michael-Babel-Straße

Michael Babel
Erlebt hat er es nicht mehr, der Michael Babel, als 1974 bei der Einführung der Straßennamen in Pfronten auch eine Wohnstraße in der Nähe vom MAHO nach ihm benannt wurde. Aber verdient hat er es zweifellos.

Michael Babel ist am 1. Febr. 1897 im Kalkbrennerhof "bei Hafe" (Scheiberweg 6) zur Welt gekommen. Die Verhältnisse im Anwesen waren sehr bescheiden, nur das arbeitsintensive Brennen von Kalksteinen brachte ein zusätzliches Einkommen und dabei musste auch Michael als ältester Sohn fest mithelfen. Seinen weiteren Lebensweg bestimmte eine Lehre in "Zwengs Bude", wo er einen genialen Lehrmeister hatte, der sein Geld ebenso schnell verlor wie er es sich erarbeitet hatte. Neben den handwerklichen Fähigkeiten, die sich Babel dort als Feinmechaniker erwarb, war auch das ihm eine Lehre fürs Leben.
Firma MAHO ca. 1930
Nach dem Zusammenbruch der Firma des Ludwig Zweng kaufte Babel aus der Gantmasse seines Lehrherrns dessen Anwesen, Hausnummer 299 ("Gelle", Achtalstraße 5) und gründete 1920 mit vier weiteren Feinmechanikern die Firma Mayer, Hörmann & Cie, kurz MAHO genannt. Die erste Produktionsstätte richteten sie in einem Bauernhaus ein, "bei Beachate" (Achtalstraße 24).

Trotz der schwierigen Jahre nach dem Ersten Weltkrieg ging es mit dem Betrieb steil bergauf. Bereits 1925 konnte ein Neubau auf dem jetzigen Betriebsgelände mit 40 Mann bezogen werden. Die ursprüngliche Herstellung von Zirkeln wurde in den nachfolgenden Jahren nun auf weitere Produkte ausgedehnt, die im Export guten Absatz fanden. Dennoch war im Hause Babel große Sparsamkeit angesagt. Drei der fünf Firmengründer waren ausgeschieden und mussten ausbezahlt werden.

Nicht im Sinne des Michael Babel war die Entwicklung der Firma vor und im Zweiten Weltkrieg. Der Wille der nationalsozialistischen Machthaber war die Umstellung des Betriebes auf die Produktion von Rüstungsgütern, der sich Babel nicht entziehen konnte. Dennoch wurde er dafür nach dem Kriege von den Siegern von 1946 bis 1947 aus seinem eigenen Betrieb verbannt. Während dieser Zeit befasste sich Babel mit seiner immer noch betriebenen Landwirtschaft, die er ausbaute und damit für den Unterhalt seiner Familie sorgte.

Michael Babel mit Belegschaft

Zu diesem Zeitpunkt war man beim "MAHO" schon wieder zur alten Fertigung von Zeichengeräten wie Planimetern, Pantographen, Koordinatographen und Ellipsographen zurückgekehrt. Nur die Herstellung von Rechenschiebern wurde aufgegeben, weil hierfür das geschulte Personal zum größten Teil nicht mehr aus dem Krieg heimgekehrt war. Außerdem begann man mit der Entwicklung einer zukunftsträchtigen Universal-Werkzeugfräs- und Bohrmaschine. Sie wurde erstmals 1949 auf der Frankfurter Messe gezeigt und fand großen Anklang. Kleineren Typen folgten immer größere, so dass die Räumlichkeiten der Firma 1960 um eine 3000 m² große Montagehalle erweitert werden mussten.

Ein Grundsatz des Michael Babel war: "Zuerst die Firma, dann wir". Wir, das waren seine Frau und seine drei Kinder, die er aus einer ersten Ehe mit Carla Haug und einer zweiten mit Kreszentia Dünser erhalten hatte. Dennoch wird Babel als ausgesprochener Familienmensch beschrieben, der gerne auch Bauer geworden wäre und sein Leben lang durch und durch ein heimatverbundener Pfrontener blieb. Oft sah man ihn beim Bergwandern und beim Skifahren mit seinen geliebten Hickory-Brettern, die er auch noch benutzte, als sie längst aus der Mode gekommen waren. (Deshalb hat sie ihm ein Sohn nicht zu seiner Freude grasgrün angemalt.)

Seine große Leidenschaft aber war das Fischen. Nicht selten war er schon an der Vils oder Ach, bevor er in der Firma erschien. Einmal hat er sich dabei mit dem Blinker selbst gefangen und musste von seinen Freunden vom einem Haken wieder befreit werden. Die waren aber nicht nur Hilfe, sondern schickten ihn an einem 1. April zum "Salmonellen-Fangen".

Der "Chef" war er nicht nur im Fischereiverein, sondern auch in seiner Firma. Wenn eine Arbeit nicht so recht voranging, hat er gesagt: "Wenn s it voarangoaht, noach due i meine Kühe mea hea" oder "Wenn dir koine Maschine bauet, noa moachet halt Wiesekarre!"

Auch das Rauchen am Arbeitsplatz verhinderte nach seiner Meinung die zügige Erledigung der Aufgaben. Einem Arbeiter, der gerade an einer Zigarette zog, reichte er spöttisch einen zweiten Glimmstengel mit den Worten: " Doa hand Sie no a Zigarettle für dia ander Hand!" Nicht besser ging es einem anderen Raucher, den er ermahnte: "I hau Sie fei mit zwei Händ eingschtellt".

Der "Babel Michl", wie man ihn allgemein nannte, hat sein Lebenswerk praktisch aus dem Nichts aufgebaut. Der Grund des Erfolges war unter anderem auch seine schon erwähnte Sparsamkeit. So ging er am Abend oft selbst durch die Firma und löschte Lichter, die nach seiner Meinung unnötig Strom verbrauchten. Besonders sah er bei der Produktion auf die Verwendung von Gold und Diamanten. Die wertvollen Materialien waren stets im Stahlschrank des Chefs eingesperrt. Wehe dem armen Kerle, der wegen Unachtsamkeit noch einmal Nachschub brauchte!

Dass es in dem immer größeren Betrieb auch Vorfälle gab, die dem Chef überhaupt nicht gefallen konnten, liegt in der Natur der Sache. Da gab es dann schon einmal eine dicke "Zigarre" für einen Mitarbeiter. Aber der Babel Michel war nicht nachtragend. "Isch d Bolle mea verraucht?"

Einmal aber ist der Chef länger verschnupft gewesen. Bei einem Betriebsausflug nach Schloss Linderhof hat einer seiner Arbeiter (seinen Namen verschweigen wir lieber) einen stolzen Schwan gefangen und ihm den Hals umgedreht. Als die Tat aufflog, hatte der MAHO-Chef etliche Scherereien – und es fanden einige Jahre keine Betriebsausflüge mehr statt!

Das Schicksal hat dem Michael Babel keinen Ruhestand, dafür aber einen leichten Abschied vom Leben beschert. Mittags kam er aus der Firma heim und legte sich – wie immer – zu einem kurzen Schläfchen nieder, um nachmittags in seinem Freundeskreis, den "Alten Deutschen", im Gasthof Vilsegg beim Tiroler Roten zu feiern. Aber der Babel Michl ist nicht mehr aufgewacht.

Auch von den "Alten Deutschen" lebt nun keiner mehr, der über die Gesellschaft berichten könnte. Sicher ist es dabei oftmals hoch hergegangen!

Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 50, 2009)

 

 

Bildnachweis: Portrait (privat), Werk und Belegschaft (Alt-Pfrontner Photoalbum)