Martin-Hörmann-Straße

 

Situationsplan über den Verlauf der Vils (Ausschnitt),

aufgenommen von J. M. Herrmann, 1807

(N = Osterriedische Schwelle, O = Kasparsmühle)

Manchmal ist es problematisch, wenn man eine Straße nach einer Person benennt. Aber wenn diese Person schon über 150 Jahre tot ist, dann kann man schon mal eine Ausnahme machen.

 

(Johann) Martin Hörmann war ein Sohn des Joseph Hörmann und seiner (zweiten) Frau Anna Roth in Hausnummer 215 (Allgäuer-Str. 13, Drogerie Tröndle). Er kam am 14. November 1761 in diesem Haus zur Welt. Martin Hörmann heiratete zweimal, zuerst die Maria Monika Nöß (oo 12. Januar 1784) und nach ihrem Tod am 14. März 1797 noch die Bauerntochter Rosalia Miller von Berg.

 

Aus der ersten Ehe hatte Hörmann einen Sohn Martin, der später Trigonometer wurde und bei der Katasterkommission in München tätig war. Der zweiten Ehe entstammte der Sohn Alois. Er studierte Jura und brachte es bis zum Regierungsdirektor in München. Für seine Verdienste wurde ihm vom König der persönliche Adel verliehen.

 

Der Vater Martin aber hatte in Ried einen kleineren Bauernhof und betrieb hier auch einen Krämerladen. Hörmann, dessen Familiennamen oft auch als „Herrmann“ geschrieben wurde, starb 81 ½ Jahre alt und erblindet am 31. Mai 1842 an Altersschwäche.

 

Im Dienste seiner Heimatgemeinde erscheint Hörmann erstmals im Jahre 1795, als er verschiedene „Nota“, darunter die „Pfrontischen Freiheiten“, abgeschrieben hat und dafür 10 Gulden erhielt.

 

1802 wurde, nachdem die alten Gerichtsmänner („Gemeinderäte“) zurücktreten wollten, vom damals noch bischöflichen Pflegamt in Füssen der Vorschlag für eine neue Gerichtsbesetzung gemacht, darunter war Martin Hörmann. Das neue Pfarrgericht („Gemeinderat“) sollte für sechs Jahre die Geschicke der Pfarrgemeinde leiten. Für das Amt des Rechnungsführers wurden Karl Stapf (für die „Unterpfarr“) und Martin Hörmann (für die „Usserpfarr“) vorgeschlagen. Damit war er zusammen mit Stapf als nächster Pfarrhauptmann („Bürgermeister“) vorgesehen. Dieses Amt hätten Hörmann und Stapf üblicherweise zwei Jahre bekleidet.

 

Die Auflösung des bischöflichen Hochstiftes und seine Eingliederung in den bayerischen Staat bis 1803 brachten jedoch gewaltige Veränderungen. Zwar wurden Hörmann und Stapf noch als „Pfarrhauptleute“ angesehen, aber ihre offiziellen Titel waren nun „Rechnungsführer“ (Hörmann) und „Kassenverwalter“ (Stapf). In den „Bemerkungen über die Verwaltung Pfrontens bis 1801“ bezeichnet sich Hörmann selbst als „rechnungsführender Hauptmann“. Verwaltet aber wurde die Gemeinde zunächst durch das königliche Landgericht in Füssen, Hörmann und Stapf waren nur ausführende Organe, denen allerdings enorm viel Arbeit aufgebürdet wurde. Sie mussten vor allem die Aufgaben übernehmen, die ehemals der nun abgeschaffte (bischöfliche) Amtmann ausgeführt hatte. Erst mit der Gemeindereform von 1818 erhielt Hörmann wieder einen repräsentativen Titel, er durfte sich nun als „Gemeindevorsteher“ bezeichnen. Dazu bekam Hörmann jetzt – im Gegensatz zu früher – eine Besoldung. Die aber war nicht üppig, wenn man die Fülle seiner Aufgaben betrachtet. Er war buchstäblich das Mädchen für alles und wurde nur durch einen Gemeindediener unterstützt. Ein dicker Akt aus der Zeit Hörmanns im Gemeindearchiv gibt beredtes Zeugnis über den Umfang seiner – sicher nicht immer leichten – Aufgaben und Pflichten, für deren Erledigung heute gleich mehrere Abteilungen in der Gemeinde zuständig sind.

 

Zusätzlich war der Gemeindevorsteher u.a. zuständig für das Eintreiben der Steuern und für alle Sühnetermine, die einem möglichen Prozess vorauszugehen hatten. Beide Aufgaben haben dem Martin Hörmann sicher nicht nur Freude gemacht und auch nicht Freunde gebracht!

 

Dazu kamen in seiner Amtszeit noch drei weitere Großprojekte. Nach den neuen bayerischen Gesetzen war nun eine Aufteilung und Privatisierung von Ortsgemeindegründen möglich. Dies nutzten beispielsweise schon 1805 die Kreuzegger, die die sogenannten Wassergruben unter sich verteilten. Die Verhandlungen hat sicher Hörmann von Amts wegen mit begleiten müssen, obwohl es im Grunde genommen eine rein Kreuzegger Angelegenheit war. Wer mit Flurbereinigungen schon zu tun hatte, weiß, dass solche Vorhaben viel Zeitaufwand erfordern.

 

Ganz sicher und archivalisch dokumentiert ist, dass Hörmann bei der Vilskorrektion als Verantwortlicher maßgeblich beteiligt war. 1807 erstellte der Sohn des Martin Hörmann, der ja Trigonometer war, Pläne zur Zähmung des Flusses von Bläsismühle bis zur Manze mit Pfählen und Faschinen. Aber erst 1821/22 sind in den Gemeinderechnungen Ausgaben für die Aufsicht bei der Vilskorrection verzeichnet. Der verantwortliche Mann war der Gemeindevorsteher Hörmann, der in diesem Rechnungsjahr dafür ganze 44 ½ Tage unterwegs war. Für seinen Aufwand erhielt er gerademal 35 Gulden 36 Kreuzer.

 

Ein weiteres Projekt war der Neubau einer Gemeindeschule, die von der neuen bayerischen Administration gefordert wurde, nachdem die Verhältnisse im alten Heitlerner Kaplan- und Lehrerhaus (heute: Kindergarten) unhaltbar geworden waren. Über den neuen Standort kam es dabei offenbar zu Differenzen zwischen Pfarrer Bayr und dem Gemeindevorsteher Hörmann. Ersterer wollte, dass die Schule in Berg „als Mittelpunkt der Gemeinde“ zu stehen käme. Hörmann aber, der die Schule (mit einem Gemeindezimmer!) in Ried haben wollte, setzte sich durch. Mit – für damals – großem Aufwand und vieler Mühe wurde es in der Rieder Viehweide auf dem Platz der ehemaligen Schießstatt (heute „Haus des Gastes“) errichtet und am 21. November 1816 eingeweiht. Inzwischen hatte Pfarrer Bayer seinem Nachfolger, Pfarrer Lutzenberger, Platz gemacht und der hat wohl nolens volens bei der Einweihung des Schulgebäudes den Weihwasserpinsel geschwungen.

 

Das Verhältnis zwischen Gemeindevorsteher Hörmann und dem Pfarrhof blieb offenbar weiter angespannt. Als auf Betreiben „vorzüglich durch den Gemeindevorsteher“ bald vor 1839 bei der Schule noch ein neues Mautgebäude (vermutlich die heutige Polizeistation) gebaut worden war, kritisierte der neue Pfarrer Magnus Jocham, dass beim Mautgebäude und beim Zollstadel um die Mittagszeit täglich fünf bis zehn Fuhrwerke mit zehn bis zwanzig Pferden stehen würden, wo die Schüler „hindurchschliefen“ müssen. Außerdem gäbe es zwischen Mautgebäude und Schule eine „Tiefe“, wo sich zeitweise ein „See“ bildete. Als er diese Mängel bei Hörmann vorgebracht habe, sei er mit Spott abgewiesen worden. Das war grob! Aber Jocham blieb nichts schuldig: Ebenso spöttisch bemerkte er, dass er das dem blinden Manne nicht verargen wolle, denn der könne die Mängel ja gar nicht sehen. Anscheinend aber waren auch andere Leute auf der Seite Hörmanns. Denn fast resignierend fügt Pfarrer Jocham noch hinzu: „Man muß staunen, wie mit dem blinden Vorsteher Alles blind geworden“ ist.

 

Trotz dieser Probleme hat Martin Hörmann sich um seine Schule gesorgt. Als Benedikt Doser ihn beleidigt hatte und zu einer Strafe in Höhe von 15 Gulden verurteilt worden war, vermachte der Gemeindevorsteher dieses Geld der Schulstiftung.

 

Kein Zweifel: Martin Hörmann hat sich um Pfronten verdient gemacht!

 

Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 57, 2011)