Lenzemühlenweg

Der Lenzenmühlenweg hat eine lange Geschichte. Vor 200 Jahren nannte man ihn "Bichelweg". Er hat ursprünglich die Äcker und Wiesen unterhalb des heutigen Steinrumpelweges zugänglich gemacht. Durch die Neutrassierung der Meilinger Straße hat der Feldweg diese Aufgabe aber weitgehend verloren und so endet er jetzt – noch vor der neuen Straße – an einem großen Grundstück, das ehemals zur Lenzenmühle gehörte. Aus diesem Grund hat man bei der Einführung der Straßennamen den Bichelweg in Lenzenmühlenweg umgetauft. Die Lenzenmühle selbst stand südlich davon, dort wo die Fabrikhalle der ehemaligen Firma Wetzer stand und wo heute die Kunden des V-Marktes parken können.

Letzter Rest der Lenzenmühle: Der stillgelegte Zulauf mit der Stellfalle, durch die die Faule Ach nun fließt.

Das Wasser für den Antrieb der Mühlräder kam aus der Faulen Ach und wurde durch einen Kanal davon abgeleitet. Der nahm ursprünglich seinen Anfang nördlich der Lenzemühle – unterhalb einer großen Schleife, bei der die Ach noch 1818 in östliche Richtung bog. In der Mitte des 19. Jahrhundert, vermutlich, wurde dann – oberhalb der erwähnten Schleife – ein Teil des Achwassers mit dem Bitzbach zusammengeführt. So entstand ein neuer, kürzerer Flusslauf. Damit aber die Lenzenmühle auch weiterhin zu ihrem Wasser kam, wurde zur Regulierung der Wassermenge eine Stellfalle eingebaut, die der Wanderer vom Berger Moosweg aus leicht entdecken kann. Heute hat sie keine Funktion mehr. Das gesamte Achwasser schießt nun durch die morsche und zerbrochene Falle, denn der alte Mühlkanal ist kein fließendes Gewässer mehr. Er hatte nie ein starkes Gefälle und deshalb können die Wasserräder der Lenzemühle eigentlich nur unterschlächtig gewesen sein, d.h. die Radschaufeln tauchten von oben in den Kanal ein.

Der Achlauf mit Mühlkanal und Lenzenmühle (leicht bearbeitet, Uraufnahme von 1818)

Normalerweise kann die Geschichte von Mühlanwesen sehr weit zurückverfolgt werden, so z.B. bei der Stoffelsmühle, wo die Suiter als Müller von 1587 an lückenlos nachgewiesen werden können. Nicht aber möglich ist das bei Kasparsmühle und auch nicht bei der Lenzenmühle. Zwar werden 1594 und 1602 drei Mühlen an der Ach genannt, aber dann bis 1662 nur noch die Stoffelsmühle. Vielleicht lagen da die beiden oberen Mühlwerke in Schutt und Asche, was bei der damals unsicheren Zeit kein Wunder wäre. Müller waren in der Regel begüterte Leute und dort gab es neben Geld auch Getreide fürs tägliche Brot. Das war sicher ein Magnet für eine hungerige Soldateska!

Erst ab 1662 kennen wir also die Müller auf der Lenzenmühle. Der Hans Weiß war Müller und Bäcker und hatte einen beachtlichen Besitz, nicht weniger als 77 Metzensaat an Ackerland und 9 Tagmahd Wiesen. In seinem Stall standen vier Rösser, zwei alte und zwei junge. Auch mit seinen fünf Kühen und ebenso vielen Kälbern übertraf er die allermeisten seiner Pfarrgenossen. Sogar zwei Schweine konnte er halten, das war seinerzeit hier sehr, sehr selten.

Stillgelegter Zulauf beim V-Markt

Hans Weiß muss ein großgewachsener Mensch gewesen sein, denn zu seinen Lebzeiten sagten die Leute zu seinem Anwesen "Langhansenmühl". Das änderte sich unter seinem Sohn Lorenz. Jetzt ließ man in "Lenzenmühle" das Korn mahlen. Die Weiß haben übrigens ein richtiges "Bäckerimperium" in Pfronten aufgebaut. Ein Weiß war Bäcker in Steinach, einer in Berg und Anton Weiß starb 1738 gar als "Bäckerknecht" in Rom.

Der Nachfolger des Lorenz Weiß war sein Sohn Joseph Weiß. Von ihm hören wir mehrfach, dass ihm Leute die abgegebene Ware schuldig geblieben sind. Eine säumige Zahlerin musste deshalb dem Müller ihre zwei Kühe und sogar den Heuwagen verpfänden!

Aber Probleme hatte er nicht nur mit seiner Kundschaft, sondern auch mit seinem Personal, wenigstens hat er sich das so eingebildet. Bei ihm diente nämlich eine Tochter des Salpetersieders Martin Samper beim "Saliter". Diese Magd habe ihm, so der Weiß vor dem Amtmann, eine Pfanne gestohlen. Beweisen konnte er das natürlich nicht und deshalb ließ er nachträglich vernehmen, dass die Pfanne jetzt wieder da sei, - aber es sei eine ganz andere!

Am Ende des 18. Jahrhunderts gab es gleich mehrfach Jahre mit großen Missernten. Das war für Pfronten mit seinen wenigen und kargen Anbauflächen eine Katastrophe. 1771 war die Not so groß, dass die Pfrontener den Müllersohn Johann Weiß, mit 4000 Gulden zum Getreidekauf nach Italien schickten. Als er mit der höchstersehnten Ware zurückkam, soll man mit den Glocken geläutet haben.

Solche Krisen gingen selbstverständlich an den Bäckern und Müllern nicht spurlos vorüber und auch Ludwig Weiß in Meilingen hatte schwer darunter zu leiden. Sein Grundbesitz war viel kleiner geworden und zwei Felder waren gar verpfändet. 1777 heißt es im Steuerbuch, dass sein "Mihl handtwerkh" schlecht ginge. Ludwig hatte auf die veränderte Situation schon reagiert. Bäcker war er nicht mehr und in seiner Mahlmühle hatte er inzwischen auch eine "Schneidmühle", also eine Säge, eingerichtet. Das versprach einen Gewinn, denn die Pfrontener fällten in ihrem Pfarrwald viel Holz zum Verkauf nach auswärts. 1788 z.B. wurde das Abholzen des Wankwaldes beschlossen.

Ein weiteres Standbein hatte Weiß durch seine "Bleumühle". Pleuen ist ein alter Ausdruck für Schlagen und Klopfen. Bei diesem Vorgang wurde der getrocknete Flachs gebleut, d.h. unter Verwendung von Wasserkraft wurden die hölzernen Bestandteile von den wertvollen Flachsfasern getrennt.

Aber Holzordnungen, die dem Raubbau in Pfrontens Wäldern ein Ende setzten, sowie die Umstellung der Landwirtschaft von Flachsanbau auf Milchwirtschaft machten jedem Pfrontener Müller das Leben schwer. Ludwig Weiß, der kinderlos blieb, verkaufte deshalb seinen Betrieb an den Eisenburger Liborius Holzmann, der seinerseits auch nicht lange hier blieb und seinen Besitz an Joseph Moller veräußerte. Mit ihm endete die jahrhundertealte Tradition auf der Lenzenmühle. Sein Sohn Konrad Moller baute auf dem Feld nördlich der Mühle einen Bauernhof, heute Meilinger Straße 44 (Kienberger).

Die Wasserkraft der Faulen Ach jedoch war immer noch vorhanden und die gedachte der Pfrontener "Jungindustrielle" Hermann Wetzer zu nutzen. Ab 1873 errichtete er auf dem Gelände der ehemaligen Mühle seine "Telegraphenfabrik". Doch neue Produkte und Fertigungsverfahren machten nach über hundert Jahren auch diesem Betrieb ein Ende. Für unsere konsumorientierte Gesellschaft wurde er von einem Verbrauchermarkt geschluckt.

Es ist schon interessant, wie sich die wirtschaftliche Entwicklung über lange Zeit hinweg an dem Schicksal der Lenzenmühle ablesen lässt!

Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 51, 2009)