König-Ludwig-Weg

 

Jeder weiß, dass König Ludwig II. auf dem Falkenstein ein "Traumschloss" errichten lassen wollte. Deshalb war es nun wirklich nicht abwegig, die Meilinger "Hauptstraße" nach ihm zu benennen. Aber wie kam der König bei seinen Bauplänen ausgerechnet auf Pfronten? Die alten Gemeinderechnungen zeigen, dass schon lange zuvor zwischen den Wittelsbachern und Pfronten recht gute, ja sogar besondere Kontakte bestanden.

 

Ihren Anfang nahmen sie anfangs 1802, an einem Sonntag. Da staunten die Pfrontner nicht schlecht: In der Pfarrkirche paradierten beim Hochamt neun Soldaten in bayerischer Uniform! Während des Gottesdienstes wurden die Gläubigen dann aufgeklärt, dass diese Messe vom Augsburger Bischof Clemens Wenzeslaus für "Seine churfürstliche Durchlaucht von Bayern als neu angehenden Landesherrn verordnet worden sei." Spätestens jetzt war allen Pfrontnern klar, dass die weltliche Herrschaft der Augsburger Bischöfe zu Ende gegangen und Pfronten nun ein Bestandteil des Kurfürstentums Pfalz-Bayern geworden war.

 

Aber schon 1806 sind die Pfrontner "Königskinder" geworden. Von Napoleons Gnaden hatte der bayerische Kurfürst Max I. Joseph den Titel eines Königs annehmen dürfen – und dieses Ereignis wurde auch in Pfronten gebührend gefeiert. Am Sonntag, 12. Januar 1806, wurde während eines Te Deums die Proklamation "unsers allergnädigsten Landesfürsten Joseph Maximilian von Bayern" zum König verlesen und dabei sind nicht weniger als 11 fl an Schießpulver verböllert worden, 11 fl!. Das entsprach in etwa dem Verdienst von 35 Arbeitern an einem Tag!

Auch beim "Namens- oder Geburtsfest Ihro Majestät der Königin von Bayern" wurde wieder geschossen und auch hier unüberhörbar. Diesmal kostete das Pulver fast 8 fl. Diese Ballerei war dann aber doch etwas zu viel. In den Gemeinderechnungen 1808/09 steht denn auch "Annotation: Das Pöllerschießen wird künftig unterbleiben."

 

Nicht alle Pfrontner waren übrigens über ihre mehr oder weniger gewaltsame Besitznahme durch die Bayern begeistert und es gab da schon einige, die mit den aufständischen Tirolern gemeinsame Sache machen wollten. In dieser brenzligen Situation erwiesen sich der Gemeindevorsteher Martin Hörmann und Pfarrer Baier als wahre Freunde Bayerns. Obwohl sie im Mai 1809 in die Hand der Tiroler Rebellen fielen, zeigten sie "einen weder durch Schrecken noch durch Gewalt zu erschütternden Muth". König Max I. Joseph dekorierte deshalb beide mit der "Goldenen Zivil-Verdienst-Medaille". Folgerichtig ließ auch "Bürgermeister" Hörmann 1816 bei der Einweihung des neuen Schulhauses in Ried ein Portrait der königlichen Majestäten aufhängen!

 

Wie gesagt, zur Regierungszeit Max I. Joseph durfte nicht mehr geschossen werden. Aber das Feiern ließen sich die Pfrontner nicht ganz nehmen - und sie waren erfinderisch! Beim Geburtstag des Königs hörte man zwar kein Knallen, dafür aber zündete man ein Freudenfeuer an.

 

Erst als Max I. Joseph 1825 gestorben war und sein Sohn als Ludwig I. die Nachfolge angetreten hatte, wurden wieder Böller abgelassen und zwar zu unterschiedlichen Anlässen, aber nicht regelmäßig. Am 26. Mai 1828 z.B. wurde das 10-jährige Bestehen der ersten bayerischen Verfassung feierlich begangen und dabei unter Salutschüssen in der Schule eine Gedenkmünze vorgezeigt. Böllermeister war damals Joseph Anton Filleböck.

1832 ist Prinz Otto, ein Sohn von Ludwig I., zum König von Griechenland auserwählt worden. Ende des Jahres zogen 3500 bayerische Soldaten durch Pfronten in Richtung Italien, darunter vermutlich auch Otto selbst. Das war selbstverständlich hier ein ganz besonderer Tag. Man errichtete dazu einen Triumphbogen, den man in Füssen ausgeliehen hatte. Als Otto dann am 6. Februar 1833 in Nauplia an Land ging, wurde seine erfolgreiche Ankunft hier wieder gefeiert. Als Böllerschütze fungierte der Augustin Böck mit "Consorten". Im bayerischen Heer waren übrigens auch Pfrontener, der Matthias Lotter aus Weißbach und der Joseph Anton Zeberle von Meilingen. Das wissen wir, weil beide in Griechenland gestorben sind.

In den Jahren danach zeigten die Pfrontner noch einige Male ihre Anhänglichkeit zum Könighaus durch das Abbrennen von Feuern auf dem Breitenberg bzw. durch "Beleuchten der Bergspitze" an den Geburts- und Namenstagen des Königpaares.

 

Beliebter als Ludwig I., dessen Eskapade mit Lola Montez möglicherweise auch in Pfronten nicht so gut angekommen ist, scheint dessen Sohn Maximilian gewesen zu sein. Bald nach seiner Hochzeit mit Marie Friederike von Preußen besuchte er noch als Kronprinz mit seiner jungen Frau Hohenschwangau. Diese Gelegenheit nutzten die Pfrontner zum Abrennen von gleich zwei Feuern, eines üblicherweise auf dem Breitenberg, das andere auf dem Falkenstein. Wenn man den Wert des verbrannten Holzes betrachtet (15 fl), waren das keine Lagerfeuerchen!

Üblich war es auch nicht, dass Bildnisse der kgl. Hoheiten bereits als Kronprinzenpaar ihren Platz im Pfrontner Gemeindezimmer fanden. Und es gab hier noch ein weiteres außergewöhnliches Zeichen besonderer Wertschätzung. Als die Kronprinzessin am 25. von einem Sohn, dem späteren König Ludwig II., entbunden wurde, errichtete Theodor Trenkle ein Freudenfeuer auf dem Breitenberg!

1850, kurz nach der Übernahme der Königswürde durch Maximilian II. im Jahr 1848, erhielten die Pfrontner das Recht auf die Nutzung der hiesigen Jagd. Diese verpachteten sie schon 1857/58 an das "kgl. Leibgehege". Aber König Max II. scheint nicht oft hierher gekommen zu sein, nur einmal beabsichtigte er durch das Achtal zu reisen, wahrscheinlich nach Hindelang. Man wollte ihn bei der Fallmühle mit einem Salut ehren und der Joseph Füllenböck stand als Musiker bereit. Aber der König kam leider nicht!

Dafür weilte, wahrscheinlich nicht nur einmal, die beliebte Königin Marie mit ihren beiden Söhnen Ludwig und Otto unter einer riesigen Linde, die im Garten des Gasthauses "Adler" stand. An dieses Ereignis erinnerte noch Jahrzehnte später ein Täfele an dem Baum. Schon damals mag dem jungen Ludwig der majestätische Felsen des Falkensteins ins Auge gefallen sein.

 

Als König Ludwig II. kam er dann noch öfters nach Pfronten, so haben es alte Leute berichtet. In mondhellen Nächten sei er hinauf auf den Falkenstein gekommen und habe traumverloren in die Bergwelt geblickt. Auch ins Achtal ist er in seiner Kutsche gefahren worden. Dabei wurde ihm 1882 wohl gezeigt, wie marode die Brücke oberhalb der Fallmühle gewesen ist. Die Gemeinde erhielt jedenfalls "von seiner Majestät König Ludwig II. von Bayern zur Fallmühlbrücke" 220 Mark als Geschenk. Sozusagen offiziell aber hat der König die Gemeinde nie besucht, denn so ein Ereignis hätte sich todsicher in den Gemeinderechnungen niedergeschlagen. Dennoch war auch hier die Trauer bei seinem tragischen Tod 1886 sehr groß! Es sieht so aus, als dass der Pfarrmesner Johann Gantner "für sechs Wochen" die Kirchenglocken zu einem Trauergeläute erschallen ließ. Dafür wurde er nämlich mit 30 Mark aus der Gemeindekasse entschädigt.

 

Für den kinderlosen König übernahm ab 1886 dessen Onkel Luitpold als Prinzregent die bayerischen Regierungsgeschäfte. Weil er vor allem im Hindelanger Gebiet zur Jagd kam, scheint er keine so engen Beziehungen zu Pfronten gehabt zu haben und deshalb sind in den Gemeinderechnungen nur Ausgaben für die üblichen Ehrungen an persönlichen Festtagen verzeichnet, z.B. 1906, wo die hiesige "Musikgesellschaft" mit neun Mann eine Parademusik veranstaltete. Da war auch ein Bombardonist dabei, der Militärmusiker Roll, den man dafür eigens aus Kempten hat kommen lassen. Nur ein Ereignis ist bekannt, wo Luitpold hier in Person geehrt wurde. Das war 1911 an seinem 90. Geburtstag. Den Bericht von Anna Scholz, die als kleines Mädchen dabei war, kann man in "Rund um den Falkenstein" (Nr. 4/5) nachlesen.

 

Intensiver waren dagegen die Beziehungen seines Sohnes Prinz Ludwig zu Pfronten und sie reichten sehr lange zurück! Bereits 1868 hat nämlich der junge Prinz die Pfrontener Jagd gepachtet und dabei blieb es auch, als er nach dem Tod des Prinzregenten 1913 als König Ludwig III. den bayerischen Thron bestieg. Jährlich ein- bis zweimal sei er zur Jagd nach Pfronten gekommen und habe dabei in der Villa Bieringer logiert, wo er das ganze obere Stockwerk angemietet hatte. Als dort für ihn ein elektrisches Licht installiert wurde, soll er in seiner leutseligen Art gemeint haben, dass man für ihn keine solchen Umstände hätte machen brauchen. Aber Umstände hat man bisweilen eben doch gemacht, z.B. 1888 und 1889 hat der Hugo Babel auf dem Kienberg Freudenfeuer angezündet. 1894 feierte dann der Prinz sein 25-jähriges Ehejubiläum mit Marie-Theres von Österreich-Este. Zu diesem Anlass erhielt er von den Pfrontnern ein Präsent überreicht. Auch 1903 hat man hier etwas verstellt, nämlich beim Namenstag der königlichen Hoheit. Ferdinand Haf in Steinach lieferte 200 – 300 Pechfackeln, die bei einem zweifellos stimmungsvollen Lichterumzug mitgetragen worden sind.

 

Prinz Ludwig kam öfters auch mit Kindern nach Pfronten. Zwei Prinzessinnen trugen die Namen Wiltrud und Helmtrud. Dann hieß es ein wenig despektierlich: "Dr Prinz mit seine Trute isch mea doa!" Eine weitere Tochter war Prinzessin Maria. 1897 kam sie kurz nach ihrer Vermählung mit Ferdinand von Bourbon-Sizilien, Herzog von Kalabrien, nach Pfronten. Für die beiden ist ein Feuerwerk veranstaltet worden. Drei Jahre danach heiratete ihre Schwester Mathilde einen Prinzen aus dem Hause Sachsen-Coburg. Für das junge Paar besorgte Pfarrer Kohnle als Geschenk eine "Perlmuttermuschel" aus Bethlehem, die für 70 Mark gar nicht so preiswert war. Hoffentlich ist das teuere Stück auch gut angekommen! Nicht so viel Wert war den Pfrontnern ein Präsent zur Hochzeit des Kronprinzen Rupprecht. Dafür haben sie nur 12 Mark ausgegeben, aber zur Übergabe des Geschenks ist Bürgermeister Haff am 9. Juli 1900 persönlich nach München gefahren, was noch einmal 12 Mark kostete.

 

Im Mai 1913 fand schließlich noch einmal ein großer Empfang statt. Ludwig, damals noch Prinzregent, wurde dabei von einer "Gesellenvereinmusik" festlich begrüßt. Dann aber warf der Erste Weltkrieg seine Schatten voraus und die Revolution von 1918 beendete die Monarchie in Bayern. Jetzt gab es keine Feste mehr zu Ehren von königlichen Gästen, keine Salutschüsse, keine Bergfeuer und keine Fackelzüge mehr!

 

Eigentlich schade!

 

Bertold Pölcher in: Mosaik Heft 59, März 2012