Kohlstattweg

Vor allem die Pfrontener Schmiede waren bei ihrer Arbeit auf einen Brennstoff angewiesen, der eine hohe Temperatur lieferte. Das konnte früher nur die Holzkohle, die auf einer Kohlstatt hergestellt werden musste.

Für die Produktion von Holzkohle schichtete der Köhler etwa ein Meter lange Holzscheiter in drei Lagen um eine sogenannte Quandel übereinander und deckte den runden Haufen mit Rasenstücken oder Erde luftdicht ab. Durch die Quandel beschickte man dann den Meiler mit schon glühender Holzkohle. Luftlöcher in der Wand sorgten schließlich dafür, dass die Holzmasse im Inneren auf bis zu 400°C erhitzt wurde. Wenn dann der abziehende Rauch blau aufstieg, waren alle unerwünschten Bestandteile des zu verkohlenden Holzes verflüchtigt und der Köhler konnte den Meiler ablöschen und abräumen.

So ein Meiler, bei Bedarf auch mehrere nebeneinander, wurde in Steinach auf der allgemeinen Viehweide, Pl.- Nr. 405, - vermutlich jahrhundertelang – aufgerichtet. Dieses Feld nannte man daher die Kohlstatt. Heute ist es in viele Bruchteile aufgeteilt und durch Eigenheime überbaut. Dieses Wohngebiet wird von der Enzianstraße erschlossen, die eigentlich "In der Kohlstatt" heißen müsste. Aber wenigstens zweigt der "Kohlstattweg" noch von ihr ab.

Es gab übrigens noch andere Kohlstätten in Pfronten. Eine lag östlich des heutigen Gewerbegebiets in Weißbach auf der Pl.- Nr. 1055 und eine weitere dort, wo nun das Autohaus Brunhuber seine Dienste anbietet (Pl.- Nr. 2685).

Letztere befand sich aber ursprünglich auf dem sogenannten Kögl Plaz, den wir wohl westlich des heutigen Haus des Gastes suchen müssen. Aber der Standort war sehr ungünstig, massen solches Kohlfeür gahr nachendt denen Häusern, und also zu Windts Zeiten ganz gefährlich schine. Die Ortsgemeinde Ried nahm deshalb den Schmied Johann Suiter (und auch schon seinen Vorgänger) in die Pflicht und verlangte von ihm eine Kaution, falls einmal durch sein Kohlfeuer im Ort ein Brand ausbrechen würde. Da diese Sicherungsleistung den Schmied andauernd belastete, erklärte er sich zum Aussiedeln bereit. Durch einen Tausch von Feldern konnte er einen neuen Kohlplatz im sogenannten Lehen an der Meilinger Straße einrichten. Das hatte auch für den Schmied einen Vorteil, weil er das benötigte Holz auf der Vils besser heranschwemmen konnte.

Auch die Steinacher Kohlstatt hatte durch die vorbeifließende Ach eine so günstige Lage. Es müssen ja auch ganz erhebliche Mengen Holz gewesen sein, die da herangeschafft werden mussten. Die Bäume wurden vorzugsweise im Winter gefällt und die Stämme im nachfolgenden Frühjahr bei hohem Wasserstand zur Kohlstatt gebracht. Ein Brand ergab nur etwa 35 % Holzkohle. Die Pfrontener Schmiede durften deshalb, was sonst nicht erlaubt war, Holz von den Pfarrgenossen aufkaufen, die ihr Quantum nicht selbst aufbrauchten.

Die Hauptabnehmer der Steinacher Holzkohle werden wohl die Schmiede in der unteren Pfarrei gewesen sein, nicht aber die Waffen-, Sensen- und Pfannenschmiede auf der ehemaligen Hausnummer 359 (Gschönweg 9). Die hatten nämlich eine eigene Kohlstatt tief hinten im Achtal, im Einzugsgebiet des Kotbaches zwischen Schönkahler und Einstein.

Ausschnitt aus dem Kataster von 1818

Das wissen wir, weil es immer wieder Probleme gab, wenn die Holzkohle vom Berg herabtransportiert werden musste. In den Kotbachwiesen besaß nämlich Joseph Anton Haf aus Dorf drei Tagmahd, durch die Hans Michael und Joseph Anton Lotter sowie Anton Babel und Johann Baptist Gschwender, alle aus Steinach, im Dezember 1774 Kohlen führten und gut sichtbare Spuren hinterließen. Da packte den Haf ein heiliger Zorn und er hieß die Steinacher – das können wir uns gut vorstellen – alles, was ihm gerade einfiel. Insbesondere nannte er die Kohlentransporteure "keine braven Männer", dazumal eine ehrenrührige Beschimpfung. Die Beleidigten zogen deshalb vor den Amtmann und gaben an, dass sie um Lohn für den Sensenschmied Johann Jakob Siller gearbeitet hätten und das sei ihnen auch nicht verboten geworden. Außerdem sei dem Haf gar kein Schaden entstanden, weil sie mit einem Schlitten gefahren seien. Das sah auch der Amtmann so und, nachdem Haf seine bösen Worte zurückgenommen hatte, entließ er die Kontrahenten, ohne eine Strafe ausgesprochen zu haben.

Ähnliche Probleme hatte der Sensenschmied Siller auch schon zuvor mit dem Hans Michael Besler von Steinach gehabt. 1773 aber hatte Siller dem Besler 12 fl bezahlt und dafür das Recht bekommen, seine Kohlen über Beslers Kotbachwiese transportieren zu dürfen.

[Karte etwa ab hier einfügen: Bitte entlang des Kohlweges noch den Namen "Kohlweg" eintragen! Bildunterschrift:]
Urkataster 1818: Der Kohlweg im Achtal
(Die Zahlen in den Grundstücken bezeichnen die Hausnummer des Besitzers, weil es damals noch keine Plannummern gab.)

Beide Wiesen, die des Haf und des Besler, lassen sich übrigens – mit etwas Mühe –exakt lokalisieren. Das Haf'sche Grundstück erhielt später die Plannummer 2242 und das des Besler die Nummer 2243. Über beide Wiesen lief, wie das Katasterwerk von 1818 zeigt, tatsächlich ein Weg. Sein Name ist auch heute noch bekannt. Er heißt – man höre und staune – Kohlweg. Die Erinnerung an das ehemalige Köhlerhandwerk ist also wenigstens in einem Wegnamen erhalten geblieben.

Nun rauchen sie nicht mehr, die Meiler in Pfronten. Eigentlich schade! Aber für das bisschen Grillkohle wäre der Aufwand doch ein wenig zu hoch!

Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 45, 2007)