Gipsmühlweg

Wer heute nach Überresten der Pfrontner Gipsmühlen sucht, wird nicht mehr sehr viel von ihnen vorfinden. Nur noch der Gipsmühlweg erinnert an das Handwerk, das vor zwei Jahrhunderten den Leuten hier im Tal Arbeit und Brot gab.

Ursprünglich begann der Gipsmühlweg bei Josemühle im Gschön. Von dort verlief er rechts der Dürren Ach herab bis Semelers Säge, um dort die Ach zu überqueren. Hier erreichte er die jetzige Trasse, die von Josemühle an der linken Seite der Ach herabführt und schließlich bei der Achtalstraße in Steinach endet. Die Umwidmung war notwendig geworden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass der alte Gipsmühlweg zum Teil über Privatgrund lief.

Was seinen Namen betrifft, wäre natürlich der alte Verlauf richtig gewesen, denn hier befanden sich früher drei Gipsmühlen. Sie wurden allesamt so um 1800 errichtet, nachdem die Produktion von Gips Erfolg versprach. Dazu wurde der Kanal rechts der Dürren Ach, der schon seit alten Zeiten die Wasserräder der oberhalb liegenden Wasserkraftwerke (Pfannenschmiede, Driendlmühle und Josemühle) antrieb, um ein gutes Stück verlängert

Poliermühle

Die erste Gipsmühle nach Josemühle war die sogenannte Poliermühle (Gipsmühlweg 15). Vermutlich von Paul Mayr errichtet, wurde dort – wie der Pfrontner Heimatforscher Liborius Scholz überliefert – bis 1866 Gips hergestellt. Zuletzt wohnten dort Arbeiter der Firma Haff, die hier Reißzeugteile polierten, daher der Name. Nun steht die ehemalige Werkstatt einsam und verlassen am Kanal, aber ohne Wasserrad.

Eberlemühle

Die zweite Gipsmühle (Gipsmühlweg 13), etwas unterhalb, wo das Wasser wieder Kraft zum Antrieb von Mühlrädern gewonnen hatte, wurde wohl von den beiden Brüdern Joseph Anton und Joseph Benedikt Hörmann aus Steinach erbaut. Jeder von ihnen besaß einen halben Anteil an der Mühle. Sie mahlten auch Leinsamen und gewannen dabei Öl, das damals zum Kochen, aber auch zum Schmieren von Rädern benötigt wurde. Spätestens 1876 waren dann beide Anteile in einer Hand vereinigt. Der Besitzer hieß Matthias Eberle. Er stellte hier Zement her und nach ihm nannte man die Werkstätte "Eberlemühle". Auf ihn folgten dann als Besitzer die Gebrüder Haff, die hier ihre Produktionskapazität ausweiteten. Zuletzt war hier die Etuischreinerei untergebracht.

Die letzte der drei Gipsmühlen zwischen Josemühle und Semelers Säge war die "Wannemacher Mühle". Sie wurde vermutlich noch vor 1800 errichtet, und zwar auch von einem Joseph Anton Hörmann. Er hat nach 1818 die alte Hausnummer 330 in Steinach abbrechen lassen und das Orts- und Gemeinderecht auf seinen Neubau am Werkkanal gezogen. Dadurch war es ihm erlaubt, dort auch eine kleine Landwirtschaft einzurichten. Außerdem stellte er Holzwannen her, weshalb er "Wannemacher" genannt wurde. 1888/89 verkauften dann seine Erben das zweifellos heruntergekommene Gebäude. Käufer waren wieder die Gebrüder Haff, die das Wasserrecht auf die Eberle-Mühle zogen und die Wannemacher Mühle ganz eingehen ließen. Vor etwas mehr als einem Jahrzehnt fanden sich noch oberhalb von Semelers Säge Grundmauerreste, nun sind auch diese beseitigt oder völlig überwachsen.

Die komplizierten Vorgänge bei der Herstellung von Gips ist für einen Nichtchemiker nur schwer zu verstehen. Man benötigte dazu [Gypssteine], die 1818 alle aus dem [Tyrol]eingeführt wurden. So will es ein Dokument aus diesem Jahr im Gemeindearchiv wissen. Die Steine wurden in Kalköfen bei einer Temperatur von über 1000° gebrannt und dadurch mürbe gemacht. Danach kamen die Gipsmühlen zum Einsatz, wo offenbar das beim Brennen entstandene grobe Material fein gemahlen wurde.

Aus einem Klafter Steine habe man 130 bayerische Metzen Gips herstellen können, so wird berichtet. Diese alten Hohlmaße in unser metrisches System umzurechnen, bereitet große Probleme. Nur so viel lässt sich sicher sagen, dass es ganz erhebliche Mengen an Gips gewesen sein müssen, die nach Reutte, Füssen und Kempten verkauft wurden. Zum Transport fertigten 1818 die Pfrontner Kübler 36.000 Gipsfässer zu 1 ½ und 2 ½ Metzen an. Das dazu benötigte Holz entnahmen sie den Gemeindewaldungen, die dadurch Schaden erlitten. Es werde, so warnte der Pfrontner Gemeindevorsteher Johann Martin Hörmann, der Nachkommenschaft ein entsetzlicher Holzmangel entstehen, wenn die [Gypsfaßfabrikation] nicht gänzlich aufhöre.

Inzwischen hat sie "gänzlich" aufgehört und keine einzige Gipsmühle hat sich in unsere Zeit herüberretten können. Nur noch der Werkkanal entlang der Dürren Ach wird sorgsam unterhalten und von einigen Wasserrechtlern zur Stromerzeugung genutzt. Am längsten arbeiteten Semelers– und Steinhausers Säge mit der nicht selten zu geringen Wasserkraft.

Bei Steinhausers Säge allerdings hat der Kanal noch eine weitere Bedeutung. Er dient zum Nachrichtentransport: "Jedsmoal, wenn doba a Party isch, noa kommet zerscht leere Sektfläscha und noache Schmerztabletta-Röahrla!"

Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 43, 2007)