Bäckerweg

Bäckerei des Otto Reichart, 1914. Die alte Frau ist vermutlich Franziska Hehl (1838-1918), Frau des Bäckermeisters Fridolin Reichart (1842-1903).
Man braucht gar nicht sehr alt sein, um einem Jüngeren erklären zu können, warum das schmale Wegele im Herzen von Pfronten-Steinach so heißt. Hier, in der alten Hausnummer 331, haben nämlich fünf Generationen der Familie Reichart Backwaren hergestellt und hauptsächlich von dem Gewerbe gelebt.
Ganz genau wissen wir es nicht, aber es sieht geradezu so aus, als sei der „Böck“ in Steinach schon vorher hier beheimatet gewesen. Der erste Steinacher Bäcker, der uns aus den alten Schriften überliefert wird, war Hans Höß. Von ihm erfahren wir, dass es ihm finanziell nicht besonders gut ging. Nach der Türkensteuerliste des Jahres 1594 hatte er mehr Schulden als durch sein Vermögen gedeckt war. Nach ihm war sein gleichnamiger Sohn (Hans Höß der Jüngere) Bäcker in Steinach. Seinen Namen erfahren wir aus der Türkensteuerliste des Jahres 1602.
Mitten im Dreißigjährigen Krieg, 1628, hat dann Heuß (Matthias) Mayr die Steinacher mit frischem Brot versorgt und nach ihm noch ein Hans Mayr, wohl sein Sohn. Nach der Höhe seiner Abgaben gehörte er 1645 zu den wohlhabenderen Gemeindebürgern. Er besaß 35 Metzensaat an Ackerland und fast 11 Tagmahd an Wiesen, einen Besitz, den er durch sein Bäckerhandwerk sicherlich nicht erworben hat. 1662 gehören ihm sogar 47 Metzensaat, nur die Anzahl der Tagmähder ist auf 8 gesunken. In seinem Stall standen ein ausgewachsener Gaul und zwei einjährige Rösser, sechs Kühe und vier Kälber. Das alles war damals in Pfronten eher die Ausnahme und wir müssen deshalb vermuten, dass Hans Mayr mehr Landwirt als Bäcker war.

Sein Nachfolger in Steinach war dann Martin Besler, dessen Steuern (1675) in der Höhe wieder mehr dem Mittelmaß entsprachen. Von ihm dürfte das Bäckerhandwerk dann an den Sohn Michael Besler gekommen sein. So haben es Adolf und Annemarie Schröppel aufgeschrieben, aber beweisen lässt sich das nicht.

Der erste Bäcker, der mit Sicherheit in Hausnummer 331 gelebt und gearbeitet hat war Hans (Johannes) Weiß. Er stammte aus der längst abgebrochenen Mühle in Meilingen (am Platze des heutigen V-Marktes), wo auch sein Bruder Anton Weiß auf die Welt kam. Anton zog als junger Mann nach Rom und arbeitete dort als Bäcker wie etliche seiner Landsleute, starb aber schon vor 1738 in der Ewigen Stadt . Der Bruder Hans heiratete zunächst nach Pfronten-Ried und wechselte dann aber bald nach Steinach in den heutigen Bäckerweg. Dort besaß er ein „altes, schlechtes Häuslein“, zu dem ein Acker mit 2 ½ Metzensaat gehörte. Er konnte davon eine Kuh halten, die „der Steuer nicht wert war“. 1741 war er dem Kornhändler Michael Schelkle in Denklingen 120 Gulden für abgegebenes Getreide schuldig , doch konnte er das Kapital beim besten Willen nicht zusammenkratzen. Das sieht nicht gerade nach einem blühenden Gewerbe aus! Als Hans Weiß 1762 seine Hände endgültig in den Schoß legen konnte, hinterließ er seinem Erben noch eine Schuld in Höhe von 100 Gulden.

Das war der Sohn und Nachfolger Joseph Weiß. Auch er hat wohl öfters weniger zu knabbern gehabt als ihm lieb war. Schuld daran trugen sicherlich auch die damals häufigen Getreide-Missernten. 1771 war die Not wieder einmal so groß, dass die Pfrontener den Johann Weiß, Müller in Meilingen, mit 4000 Gulden zum Getreidekauf nach Italien schickten. Der Bäcker Joseph Weiß in Steinach heiratete nicht und wurde auch nicht alt. 1780 überließ er sein Anwesen seiner Schwester Marianna, die in diesem Jahr den Anton Reichart aus Heitlern ehelichte. Mit ihm beginnt die lange Reihe der Reichart-Bäcker auf Hausnummer 331.

Dem Anton Reichart folgten der Sohn Simon (oo 1834 mit Ottilia Hörmann), dann der Enkel Fridolin (oo 1868 mit Franziska Hehl) und der Urenkel Otto Reichart (oo 1905 mit Kreszentia Haf). Mit Johann Baptist Reichart (oo Kunigunde Filleböck) endete schließlich vor rund 30 Jahren die Bäckereitradition in Hausnummer 331. Von seinen Töchtern wollte keine den väterlichen Betrieb weiterführen und außerdem zeichnete sich schon damals die immer stärker werdende Konkurrenz der Brotfabriken ab, die große Investitionen notwendig gemacht hätten.

Gott sei Dank haben wir in Steinach aber noch den Wanger-Bäck!

Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 32, 2005)

 

                                                                                  ...Demnach in allhisigen
orthschafften Pfrondten, der allgemeine Getraÿdt mangel als ein Höchst benöthigte nahrung, nur allzu hart ein-gerissen, So dass würr gleich andre vor augen ligenten Exemplen, aus den benachtbahrten orthen Italiens umb Frucht, allforderist aber umb einen Vorschuss von 4000 fl paren gelts umb zusechen, nur nothgetrungen finden, ...

Getreidemangel in Pfronten 1771 (GA Pfronten A 29)