Bruder-Georg-Weg

Viele werden keine Nachhilfe brauchen, wenn es um eine Erklärung der Straßenbezeichnung Bruder-Georg-Weg geht. Man weiß, dass damit Andreas Erhart gemeint ist, der in Rom bei den Kapuzinern eintrat und dabei den Ordensnamen "Bruder Georg" annahm.
Andreas Erhart kam am 25. November 1696 in der ehemaligen Hausnummer 111 (beim "Schwammeböck") in Kreuzegg zur Welt. Er erlernte das Bäckerhandwerk und wanderte dann als junger Mann nach Rom, so wie andere Pfrontener "Bäckerknechte", von denen wir Anton Weiß und Anton Erd namentlich kennen. Leute, die nach seinem Tod über ihn befragt wurden, nannten ihn einen sehr bescheidenen und immer freundlichen Mann, dessen herausragende Gabe darin bestand, kranken und sterbenden Mitmenschen Kraft und Mut zusprechen zu können. Fra Giorgio, wie ihn die Römer nannten, starb am 7. Oktober 1762 in Frascati. Nur wenige Stunden vor seinem Tod hatte ihn noch sein Bruder Joachim besucht, der, was kaum mehr bekannt ist, in Rom als Laienbruder bei den Jesuiten in der Bäckerei arbeitete. Als Bruder Georg seine Seele dem Schöpfer zurückgegeben hatte, sollen die Buben des Ortes gerufen haben: "E morto il Santo!" (Der Heilige ist gestorben.)
Schon 18 Jahre danach wurde für Bruder Georg ein Seligmachungsprozess eingeleitet, der aber in den Wirren der französischen Revolutionskriege zum Stillstand kam. Als dann seine sterblichen Überreste 1922 nach Kempten überführt wurden, bemühten sich die Kapuziner von St. Anton, um eine Fortführung der Seligsprechung Bruder Georgs, allerdings vergeblich. In Pfronten erinnert immer noch sein Bildnis in der Pfarrkirche an ihn und auch die kleine Bruder-Georg-Kapelle unmittelbar vor seinem Geburtshaus.
So viel zum bisher Bekannten! Was nicht erforscht wurde, ist seine Abstammung, die einen interessanten Aspekt auf sein späteres Leben in völliger Armut wirft. Sein Großvater väterlicherseits war Johann Erhart, der um 1650 in Kreuzegg einheiratete und möglicherweise aus einem größeren Bauernhof in Zell stammte. Dort jedenfalls waren um 1600 gleich zwei Familien Erhart beheimatet. Der Vater von Johann Erharts Frau, also der Urgroßvater von Bruder Georg war Martin Bertle. Er übergab seiner Tochter Maria Bertle für ihre Heirat mit Johann Erhart das Anwesen beim "Schwammeböck", das ebenfalls nicht zu den kleinen Bauerngütern zählte. Bruder Georgs Vater, der gleichfalls Georg hieß, erbte also eine Heimat, die im Gegensatz zu vielen anderen Pfrontener Höfen durchaus ein ordentliches Auskommen bot. Georg Erhart, der Vater, heiratete zunächst 1647 die Barbara Höss, vermutlich eine Tochter aus reichem Hause, denn die Pfrontener Höss waren damals allesamt recht gut gestellt: Der Pfarrhauptmann Hans Höss war sogar der zweitreichste Pfrontener. Auch Georg Erharts zweite Frau, deren Name bisher immer mit "Holl" gelesen wurde, war zweifellos eine gute Partie. Sie hieß nämlich richtig "Heel" und entpuppt sich damit als Tochter des Jeremias Heel, dem sehr begüterten und einflussreichen Kreuzwirt in Ried.

Wenn man diese Ahnenreihe sieht, so wundert es einen, dass Andreas Erhart aus einem "Gütchen" (Magnussen) und "kleinem Anwesen" (Köberle) stammen soll. Dort gab es sicher immer ausreichend zu essen und bei der Verwandtschaft hat der junge Andreas sicher mitbekommen, was reich sein heißt. Umso erstaunlicher ist es da dann doch, dass er sich in Rom den Kapuzinern angeschlossen hat, deren wesentliches Streben als Bettelorden die völlige Armut ist. Seine Religiosität dagegen scheint Andreas Erhart - wie überliefert - tatsächlich von Mutterseite erhalten zu haben: Drei ihrer Schwestern waren Ordensfrauen und sein Vetter kein geringerer als Peter Heel, Pfrontens begnadetster Bildhauer.

Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 1, 2000)