Badstraße

Eine Aufnahme des vor kurzem fertiggestellten Freibad im Fremdenverkehrsprospekt um 1930
So um 1700 führte von Ösch ein kleiner Feldweg nach Osten, direkt auf das Mühlanwesen des Christoph Suiter zu, den man „Mühlstoffel“ nannte. Weil ein Müller aber damals für die Dorfgemeinschaft sehr wichtig war, wurde auch der Weg zu seiner Mühle so bezeichnet, nämlich Stoffelsmühlweg.

Aber zu Beginn des letzten Jahrhunderts, also um 1900, hatte sich in Pfronten viel verändert. Die Gemeinde war auf dem Weg zu einem aufstrebenden Industrie- und Kurort. Da brauchte man einen Müller immer weniger, denn der Anbau von Getreide ging von Jahr für Jahr zurück.

Wichtiger waren nun öffentliche Einrichtungen für die Gemeindebürger und ihre Gäste - und für diese neuen Bedürfnisse errichteten die damals noch getrennten Gemeinden Pfronten-Berg und Pfronten-Steinach 1928 zwei Anlagen, die „Usser Gmoid“ eine Turnhalle und die „Unter Gmoid“ ein Freibad.

Letzteres wurde unweit der Stoffelsmühle zwischen der Faulen Ach und der Vils plaziert, auf Meilinger Gemeindeboden, wodurch man sich die Grunderwerbskosten ersparte. Dennoch war das Projekt damals - noch mehr als heute - ein finanzieller Kraftakt für einen klammen Gemeindekassier. Für die „Errichtung des gemeindlichen Schwimmbades an der Vils bei der Stoffelsmühle“ musste er 1928 ganze 16.009,14 Mark schultern und im Jahr darauf gleich noch einmal 18.270,35 Mark, insgesamt also 34.279,49 Mark. Da waren die 1000 Mark Zuschuss aus der bayerischen Staatshauptkasse nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Am 1. Juli 1928, einem Sonntag, war es soweit, das neue Freibad wurde der Öffentlichkeit übergeben, mit einem großen Fest, zu dem offenbar Alt und Jung strömte. Das können wir dem Verkauf von Festzeichen und Programmen entnehmen. Er brachte immerhin 654,07 Mark ein. Und besser noch! Durch den Verkauf von Badekarten konnten in der Gemeinderechnung des Jahres 1829 satte 4.015,05 Mark als Einnahme verbucht werden. Da mögen dem Kassier die Augen geglänzt haben und so konnte er leicht noch 4,80 Mark aufbringen für einen Schwimmgürtel, den man zur Sicherheit der Badegäste bei Josef Fackler in Ried angeschafft hatte.

Dem Allgäuer hat man schon oft einen Hang zum Praktischen nachgesagt und die Pfrontener erwiesen sich mit der neuen Errungenschaft als typische Allgäuer. Im Winter, wo kein Badebetrieb möglich war, ließen sie nämlich das Wasser aus dem Becken nicht aus. Wenn dann der Frost das Bad in eine Eisfläche verwandelt hatte, wurden kurzerhand „Billetten zum Schlittschuhfahren“ verkauft. Viel war es freilich nicht, was da zusammenkam, im Winter 1928/29 gerade mal ganze 22,90 Mark.

Vielleicht lag das auch daran, dass man mit seinen „Schraubendampfern“, den damaligen Schlittschuhen, nicht immer seine Runden drehen konnte. Wenn das Eis nämlich dick genug war, wurde es herausgebrochen und an die Pfrontener Wirte verkauft, die keinen eigenen Eiskeller hatten. Auch der Metzger Josef Kattum und der Konditor Wilhelm Fuchs bestellten Eisfuhren, weil sie noch keinen Kühlschrank in ihren Betrieben hatten. Für die 129 Eisfuhren, die 1928/29 aus dem Schwimmbecken geborgen wurden, nahm die Gemeinde immerhin 628 Mark ein.

Ob der Eisverkauf aber wirklich so lukrativ war, muss angezweifelt werden. Schon 1929/30 tauchen in den Gemeinderechnungen Ausgaben für die Bewirtschaftung, Instandhaltung und Reparaturen des Schwimmbades    in Höhe von 5181,24 Mark auf, so dass die anfänglich guten Einnahmen wieder erheblich reduziert wurden. In den noch im Archiv vorhandenen Gemeinderechnungen bis 1934 pendeln sich Einnahmen und Ausgaben schließlich dann so auf die 2000 Mark ein, wobei letztere immer etwas höher lagen. So ein Schwimmbad war halt schon damals ein Zuschussgeschäft.

Den jungen und alten Badegästen mag das aber keinen Abbruch getan haben. Auch wenn die Wassertemperatur nur selten die 22 Grad überstieg, war man stolz auf das gemeindliche Schwimmbad. So ist es kein Wunder, dass der alte Stoffelmühlweg, inzwischen zu einem Fahrweg ausgebaut, einen neuen Namen bekam, nämlich Badstraße.

Bau des Hallenbades 1972/73 am Meilinger Hang

Aber nichts ist von Dauer! Anfangs der 70-er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde der Ruf nach einem neuen, modernen Schwimmbad immer lauter. Ein Badespaß, sommers wie winters, mit einem erweiterten Angeboten wie Kegelbahn, Sauna und Solarium wurde in Meilingen geplant und bis 1973 fertiggestellt.

Das alte Schwimmbad dagegen verlor seine Bedeutung. Es wurde stillgelegt und das ehemalige Wasserbecken verschwand unter dem Boden. Nun fristet die Badstraße Nr. 44 ein armseliges Dasein als Lagerplatz. Sic transit gloria mundi!

Wer heute das Pfrontener Schwimmbad sucht, sollte das nicht unbedingt in der Badstraße tun!

Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 35, 2005)

Innenaufnahme vom ausgeschalten Becken