Am Weiher

Das Dorfzentrum

Noch vor 50 Jahren bildete der Dorfer Weiher den Mittelpunkt des Pfrontener Ortsteils Dorf. Das Sträßchen, das im Norden, Westen und Süden um ihn herumführt, erhielt bei der Benennung der Pfrontener Straßen die naheliegende Bezeichnung „Am Weiher“.

Ein Weiher im Sinne eines Teiches ist in aller Regel ein künstlich geschaffenes Gewässer – und so verhält es sich auch beim Dorfer Weiher. Das erfahren wir aus einer Urkunde von 1593, wo es heißt: Züwissen unnd künd seÿ gethan ... das ain ersamen Nachbaurschafft und Gemaindt Jm dorff pfronnther pfarr ... den gemainen Weyer abgegraben« hat. Das muss schon beim oder bald nach dem Entstehen einer geschlossenen Ansiedlung geschehen sein. 1593 jedenfalls hatte der Dorfer Weiher schon viele, viele Jahre auf seinem Buckel. In einer Urkunde von 1524, ebenfalls im Gemeindearchiv, wird er zum ersten Mal erwähnt.

Warum aber hat man den Dorfteich überhaupt angelegt? Wenn wir annehmen, dass die beiden Quellen in der Dorfer Viehweide am Kienberg erst später gefasst und in Deicheln zu den beiden Brunnen am Weiher geleitet wurden, dann war der Weiher in erster Linie eine Wasserreserve für das von Mensch und Tier dringend benötigte Nass, vor allem im Winter, wenn die Bäche zugefroren waren.

Im Falle eines Brandes

Eine besonders wichtige Aufgabe hatte er auch beim Ausbruch eines Brandes. Bei den mit Schindeln bedeckten Holzhäusern war es ein großer Vorteil, wenn in der Nähe genug Löschwasser zur Verfügung stand.

In der Urkunde von 1593 wird eine weitere Funktion des Weihers angedeutet. Dort heißt es, dass das Gewässer auch mit Fischen besetzt werden könne und wir werden wohl nicht fehlgehen, wenn das zu allen Zeiten geschehen ist. Fische waren als zusätzliche Nahrungsquelle begehrt und haben – nach damaligen Hygienevorschriften – auch kein Trinkwasser verunreinigt, vor allem nicht das für Kühe und Ochsen.

Wann dann auch das Eis des Dorfer Weihers zur Kühlung von Bier in den Sommerkellern der Pfrontener Brauereien benutzt wurde, lässt sich nicht mehr feststellen. Im Alt-Pfrontener Photoalbum jedenfalls zeigt eine Abbildung, wie das Eis dort zu diesem Zweck gebrochen wurde. Kommen wir noch einmal zurück auf die Urkunde von 1593! Dort wurde festgelegt, dass zwei Weihermeister angestellt werden sollen, die guete gemaindtliche pollicei und Ordnung halten, damit der gemaind Jhr nuz gefürdert Und schaden, gewenndt werde. Damals waren Weihermeister der Simon Wetzer und der Hans Hess. Die beiden sind in der Urkunde noch vor den Amtspersonen genannt. Interessant ist, dass die beiden Weihermeister genauso in ihr Amt berufen wurden wie die Pfarrhauptleute in Pfronten. Jeder durfte nur zwei Jahre fungieren – und zwar abwechselnd, so dass immer ein alter und ein neuer an die Reihe kam.

Ein Weiher der Rechtler

Weihermeister wurde immer nur ein Mann aus dem Ortsteil Dorf, denn der Teich war gemeinsamer Besitz aller dort ansässigen Rechtler. Ein sogenannter Weiherteil war dinglich an den Besitz eines Anwesens in Dorf gebunden. Wenn also jemand sein Anwesen verkaufen wollte, dann musste er auch seinem Anteil am Weiher abgeben. Nur wenn einer oder mehrere mit Feur abbrunn oder abginnnge (Da Gott vohr sein welle) Soll derselben Ehehefften [Recht] Allweg Jr thail was sich gebürt Jn ewig Zeit bleiben Jn dem weÿer. Man konnte sich aber am Weiher einkaufen. Dazu musste
einer 2 Gulden 12 Kreuzer bezahlen. Das war genauso viel, wie Jeder gemaindtsman Jm Dorff, so dann den Weyer hat helffen Bawen und abgraben, mit seiner Arbait, speiß und lohn, und was das ist aufwenden musste.

Die Dolen und Docken

Obwohl der Dorfer Weiher einen Frischwasserzufluss hat, ist er ein stehendes Gewässer. Durch Schwebeteilchen, Grünalgen und herabgefallene Blätter bildet sich immer wieder Faulschlamm, der in mühsamer Arbeit beseitigt werden muss. Zuerst aber muss man das Wasser des Weihers ablassen. Dazu hat man am östlichen Ufer Docken (verschließbare Abzugsröhren) und Dolen (hölzerne Abflussleitungen) eingebaut. 1593 mussten sie dringend erneuert werden. Die alten Dolen unter Thoman Hessens Baind ließ man liegen und sie wären wohl heute noch dort zu finden, nur: Keiner weiß, wo diese Baind ist.

Das Ab- und Überwasser floss früher dann in den sogenannten Dorfer Katzenbach, der in Richtung Ösch über die Seltiren bis zum Tränkbach lief. Heute ist er in seinem Oberlauf völlig verrohrt und bildet dann das namenlose Gerinne östlich der Firma DECKEL MAHO.

Bevor der Pfrontener Fischereiverein den Dorfer Weiher pachten konnte, war er nicht in allerbestem Zustand. Durch Abwässer der umliegenden Anwesen überdüngt und nicht immer sauber gereinigt, war er eine mehr oder weniger dreckige Lache, in der sich kubikmeterweise Schlamm und Müll angesammelt hatten. Außerdem hatten die Fischer mit der Chinesischen Wasserpest zu kämpfen, eine Algenart, die nur schwer auszurotten ist und das Gewässer überwucherte.


Der Dorfer Weiher heute

Heute präsentiert sich der Dorfer Weiher mit seinen gepflegten Blumenrabatten als Schmuckstück des Ortsteils. Er ist mit Forellen besetzt und Karpfen, die die Algen am Grund des Weihers „abweiden“. Enten bevölkern den Teich und in seiner Mitte
belebt ein Springbrunnen die beschauliche Ruhe. Das saubere Wasser ist bei den Anrainern zum Blumen gießen beliebt. Auch der Unrat hält sich inzwischen in Grenzen. Nur noch manchmal findet man am Weihergrund ein paar Maßkrüge, die beim Weiherfest der „Kienbergler“ im Wasser landeten. Nein, der Dorfer Weiher ist heute mit Sicherheit eine Zierde des Ortes.

Da haben unsere Vorfahren wirklich eine gute Idee gehabt!

Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 41, 2007)