Alpengartenweg

 

Einen Blumengarten sollte man eigentlich nicht ausgerechnet im November besuchen! Trotzdem - auch zu unpassender Jahreszeit bietet der Alpengarten in Steinach viel Interessantes. So hat er es durchaus verdient, dass man nach ihm die auf ihn zulaufende Sackgasse zwischen der Dürren Ach und dem Mühlkanal benannt hat.

 

 

 

 

Wenn man vom Scheiberweg in den Alpengarten einbiegt, dann begrüßen einen zunächst einmal mächtige Steinblöcke aus verschiedenen geologischen Formationen des Voralpenlandes. Besonders imposant ist ein großer kugeliger „Mühlstein“, den ein Gletscher im Scheidbachgebiet geformt hat. Danach kommt man an einem alten geschmiedeten Grabkreuz vorbei. Es hat auf einer Marmorplatte aus Kappel ein hübsches Plätzchen gefunden.

Das ganze Gebiet an der Dürren Ach nannte man früher das (Steinacher) Weidach. Es war eine unkultivierte, wilde Fläche, in die man allenfalls noch das Vieh zum Weiden hineingetrieben hat. Saftige Gräser hat es da sicher nicht gefunden!

Hier wurde so um 1770 der Werkkanal („Gießen“) von Josemühle abwärts bis zur heutigen Bundesstraße verlängert. Sein Wasser trieb dann die Räder mehrerer Gipsmühlen an, die nach und nach an seinem Ufer entstanden. Eine davon gehörte dem Joseph Kleinhans, 1842 wird sie erstmals erwähnt. Vor jedem Triebwerk gab es immer einen „Leerschuss“, durch den überschüssiges Wasser in den eigentlichen Kanal abgeleitet wurde, damit das Mühlrad keinen Schaden nehmen konnte. Hier am Leerschuss vor Steigerssäge, wie die kleinhansche Gipsmühle später genannt wurde, hat man im Alpengarten zur Erinnerung an die ehemalige Pfrontener Gipsproduktion ein Wasserrad aufgestellt. Eine gute Idee!

Entlang an Gestrüpp und Gesträuch, eine Reminiszenz an das ursprüngliche Weidach, wandern wir nun in den eigentlichen Alpengarten mit seinen liebevoll angelegten Beeten, die erahnen lassen, welche Blütenpracht im Sommer da zu bestaunen ist. Dazwischen lockert ein Brunnen, eine Ruhebank oder ein kleiner Teich die Anlage auf.

Sogar für die Aufbewahrung der notwendigen Gartengeräte hat man eine sinnvolle Lösung gefunden. Sie lagern in einem alten Heustadel. In einem Stamm sind noch die Initialen vom Erbauer Franz Xaver Zweng, Hs.- Nr. 418, „Hummelbauer“ (* 1815) zu finden. Viele Jahre stand der Stadel im Tannenknie tief hinten im Achtal und nun hat er im Alpengarten einen sicheren Zufluchtsort gefunden. Ein typisches Beispiel für Denkmalpflege mit „geänderter Nutzung des Objektes“!

Wer noch weiter auf „Entdeckungsreise“ gehen will, bitte! Da sind noch eine „naturnahe“ Kneipp-Anlage, ein „Bienenhotel“ und Sitzlauben, die zum beschaulichen Ruhen geradezu einladen.

Der Alpengarten ist ein Denkmal, aber nicht nur für Alpenblumen! Er ist auch ein Denkmal für viele, viele Idealisten, die Geld und vor allem viel Zeit eingebracht haben. Alle Namen aufzulisten bräuchte ein eigenes MOSAIK-Heft!

Die Idee zur Anlage stammt wohl von Ludwig Eberle (1905 – 2000), den man besser unter der Bezeichnung „Fidele Lugi“ oder kürzer „dr Fidelar“ kennt. In seinem „Gruß an Pfronten“, dem Pfrontener Heimatlied, hat er sich in Kriegsgefangenschaft nach seinem „Alpenland“ gesehnt. Nach seiner Rückkehr verschrieb er sich mit Leib und Seele der Erhaltung der Pfrontener Mundart und der Natur. Er wollte hier das Edelweiß wieder einbürgern und radelte für ein paar Setzlinge bis nach Oberstdorf. In Lindau gab es eine Gärtnerei, die heimische Alpenblumen anbot. Auch dahin ist der Fidelar geradelt. A Schpinnar? Nein, das war er nicht!

Nachdem sich Eberle von der Arbeit in „seinem“ Alpengarten zurückgezogen hatte, übernahm Katharina Trenkle, „Luxers Kathi“, als „Boss“ das Kommando über eine Schar von freiwilligen Helferinnen. Sie hegten und pflegten jahrelang die Blumenbeete, in denen allerdings nun auch Fuchsien, Tulpen und Astern sprießten.

Das aber war nicht ganz im Sinne von Pius Lotter (1922 – 2008), ein ausgewiesener Pflanzenkenner und engagierter Heimatfreund. Als Gärtnermeister war er geradezu prädestiniert für die Gestaltung des Alpengartens, dem er seine heutige, naturnahe Form verlieh. Viele Stunden hat der Pius dort investiert und seltene Wildpflanzen bis aus Kärnten hierher geholt. Und nicht nur das! Wenn wieder einmal eine wertvolle Pflanze über Nacht ausgegraben wurde, dann hat Lotter sie auf eigene Kosten wieder ersetzt.

Manchmal kam er am selben Tag gleich zweimal zum Blumengießen und dann konnte man ihn bisweilen auch auf einem Bänkchen sinnieren sehen. In der Tat: der Pius hat für seinen Alpengarten ungeheuer viel Herzblut vergossen! Daher können wir schon verstehen, dass er sehr empfindlich war, wenn etwas – nach seiner Meinung – schief lief. Eine aus Unachtsamkeit abgesägte Eibe konnte ihn da schon auf die Palme bringen. Ja, und dann noch die Geschichte mit der Holzplastik, die Pius hier aufstellen ließ! Die Bemerkung einer Steinacherin, der (fast) selige Bruder Georg sei doch eigentlich ein Kreuzegger, hat genügt, dass an seinem Standort tags darauf nur noch leere Befestigungsschrauben zu sehen waren.

Pius Lotter hat sich bis auf seine letzten Tage um den Alpengarten gekümmert. Nun hegen und pflegen ihn die Pfrontener Blumenfreunde mit Unterstützung der Gemeinde. Der Schuh ist groß!

Lieber Alpengarten! Im nächsten Frühjahr komme ich wieder her! Versprochen!

Bertold Pölcher (Pfronten Mosaik, Heft 54, 2010)